Im Koalitionsvertrag zwischen den niedersächsischen Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde unter anderem die Novellierung des niedersächsischen Jagdgesetzes
vereinbart. Um nur einige Punkte aus dieser Regierungsvereinbarung zu nennen, sollte z.B. der Haustierabschuss gestrichen werden, insbesondere der von Hauskatzen; die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Enten nach dem Beispiel Dänemarks reformiert werden; die Bautenjagd und die Ausbildung von Jagdhunden an lebenden Füchsen in sogenannten Schliefenanlagen verboten werden, um sowohl die auszubildenden Hunde vor Verletzungen zu schützen, als auch die derzeit in den noch betriebenen Schliefenanlagen eingesetzten Füchse vor Todesangst, Schmerzen und Leiden zu schützen und Totschlagfallen verboten werden, um ein langes und qualvolles Sterben der Tiere zu verhindern, die mit solchen Fallen häufig nicht direkt getötet werden.

„Größte Besorgnis bereitet die Tatsache, dass Politiker auf offensichtlich massiven Druck einer gesellschaftlichen Gruppierung – der Jägerschaft -, die ihre Partikularinteressen verfolgt und
ihren Besitzstand wahren will, einknicken. Als Folge werden die Inhalte der dringend notwendigen Novellierung des niedersächsischen Jagdgesetzes bis zur Unkenntlichkeit
verzwergt. Die Interessen der Tiere und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse finden so gut wie keine Berücksichtigung. Es geht nicht – wie gebetsmühlenartig wiederholt wird – um
Tierschutz oder Artenschutz. Es geht heute offenbar bei der überwiegenden Zahl der Freizeit- und Hobbyjäger um den Kick des Tötens, um Freude an der Sache, um eine Art Sport, um die
Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe, um das Streben nach einem klassischen bzw. althergebrachten Männlichkeitsideal und um den Hauch von Abenteuer.“ so Dr. Claudia
Preuß-Ueberschär, Sprecherin des Tierschutznetzwerks Kräfte bündeln.

Insbesondere bei der Trophäenjagd wird die Beute zum Prestigeobjekt. Nicht selten kommt es zur Missachtung des Individuums, obwohl auch das Töten eines Tieres im Rahmen der Jagd tierschutzgerecht ohne Angst, Schmerzen und Leiden vollzogen werden muss. In Deutschland haben aktuell ca. 460.000 Menschen einen Jagdschein und betreiben die Jagd als Hobby – so viele wie nie zuvor. Bei einer Gesamtfläche von ca. 358.000 km² kommen 1,3 Jäger auf einen km². „Nicht das Wild stellt ein Problem dar, sondern die Jagd selber!“ so Preuß-Ueberschär.

Grundsätzlich muss die Sinnhaftigkeit der derzeitigen Form der Jagd in Frage gestellt werden. Die immer wieder angeführte Meinung, dass die Jagd notwendig sei, um Tierbestände zu
regulieren, ist zwar weit verbreitet, aber deshalb noch lange nicht richtig. Ökosysteme regulieren sich weitgehend selber – sofern der Mensch nicht eingreift. Wissenschaftlichen Studien zufolge führt eine intensive Bejagung zum Anwachsen der Populationen und eben nicht zur beabsichtigten Dezimierung der Tierbestände. So werden durch die Bejagung Sozialstrukturen und Familienverbände der Tiere zerstört. Um dem so ausgeübten Druck auf die Population entgegenzuwirken und um die Arterhaltung zu sichern, wird bei vielen Tierarten
ein gesteigertes Fortpflanzungsverhalten ausgelöst.

Die Jägerschaft, die sich selber als Natur- und Tierschützer sieht, nimmt dieses Wissen offensichtlich nicht zur Kenntnis. Auch die ursprünglich geplante Gesetzesnovelle lässt diese
wissenschaftlichen Erkenntnisse weitgehend unberücksichtigt und ist im Sinne des Tierschutzes unzureichend. Wie sich nunmehr herausstellt, bleibt das zwischen den Koalitionsparteien neu verhandelte und veröffentlichte Eckpunktepapier, welches jetzt das Parlamentarische Verfahren durchlaufen soll, selbst noch hinter diesen Minimalforderungen
zurück. Es ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben wurde! Es drängt sich der Eindruck auf, dass sich Politiker von möglichen Drohgebärden, Diffamierungen und
Falschbehauptungen der Jägerschaft haben beeindrucken und beeinflussen lassen.

Das Tierschutznetzwerk Kräfte bündeln fordert die Landesregierung auf, das Eckpunktepapier umgehend zu überarbeiten und die Stimmen von Wissenschaft, Tierschutz und der
Zivilgesellschaft ernst zu nehmen. Der Schutz von Wildtieren und deren Lebensräume ist von der Zivilgesellschaft – und damit von Wählerinnen und Wählern – gewollt und auch für einen
nachhaltigen Umgang mit der Natur notwendig.

Sinnvoll wäre ein tierfreundliches Wildtiermanagement und eine Ultima Ratio-Jagd, die nur da eingreift, wo es unbedingt notwendig ist und zum Ziel hat, das Wohl des Wildes zu verbessern
bzw. die Integrität eines Ökosystems zu wahren. Die Entscheidung, ob und wo Tiere bejagt werden müssen, sollten professionelle Wildtierökologen treffen. “Hobby- und Freizeitjagd
lehnen wir als völlig überholt ab“, so Preuß-Ueberschär.

Eine Jagdgesetzgebung als Regelwerk, welches in weiten Teilen noch aus der Zeit der Weimarer Republik stammt bzw. maßgeblich vom „Reichsjägermeister“ Hermann Göring in
Kraft gesetzt wurde, kann heute weder wissenschaftlichen Erkenntnissen gerecht werden noch ethisch-moralische Normen setzen.

Darum fordern wir als Tierschutznetzwerk Kräfte bündeln die Politiker auf, bei der Gesetzgebung endlich einem veränderten Mensch-Tierverhältnis sowie wissenschaftlichen
Erkenntnissen zu folgen und nicht solchen Interessenverbänden, die einen Wertekanon aus der gesetzgeberischen Mottenkiste hochhalten, daraus ihre vermeintlichen Rechte ableiten und
diese mit Vehemenz und Ignoranz gegenüber veränderten ethisch-moralischen Werten einfordern.

Die vollständige Pressemitteilung des Tierschutznetzwerk Kräfte bündeln im PDF-Format kann hier abgerufen werden.