Am 6. November schloss sich Rechtsanwältin Anja Popp von der Anwaltskanzlei Günther und Partner in Hamburg der 32. Mahnwache des Tierschutznetzwerks Kräfte bündeln an, um repräsentativ für Dr. Christoph Maisack (Erster Vorsitzender der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht – DJGT – e.V.), Dr. Barbara Felde (Stellvertretende Vorsitzende der DJGT, Stellvertretende Sprecherin des Tierschutznetzwerks Kräfte bündeln), Dr. Ulrich Wollenteit (Anwaltskanzlei Günther) sowie über 150 weitere unterstützende Jurist:innen einen Offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu überreichen, in dem die rechtlichen Argumente darlegt werden, warum ein nationales Verbot des Exports sogenannter Nutztiere in tierschutzrechtliche Hochrisikostaaten nicht nur rechtlich möglich, sondern unbedingt geboten ist. Staatssekretärin Silvia Bender nahm den Brief stellvertretend für den Minister entgegen.
„Obwohl all diese, in dem Brief dargelegten, juristischen Argumente bereits seit langem bekannt sind und von uns immer wieder vorgebracht wurden, argumentiert Minister Özdemir nach wie vor mit der rechtlichen Unmöglichkeit eines nationalen Verbots. Dabei kam sogar ein Fachgespräch der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema „Wie beenden wir Tiertransporte in Drittstaaten?“ im Juni diesen Jahres zu dem Ergebnis, dass „juristische Hürden für ein Transportverbot in Drittstaaten obsolet“ seien. Wir fordern jetzt von Minister Özdemir, dem BMEL und dessen Hausjurist:innen, sich den Argumenten dieser überwältigenden Mehrheit von Expert:innen zu stellen“, so Dr. Barbara Felde, eine der Mitautorinnen des Offenen Briefs. „Wenn Minister Özdemir bereits früher gehandelt hätte, hätten 69 trächtige Kühe und deren, zum Teil noch ungeborene Kälber nicht so qualvoll nach vierwöchigem Martyrium, gefangen in einem LKW an der bulgarisch-türkischen Grenze sterben müssen“, so Felde weiter.
„Da der Minister sich selbst als obersten Tierschützer Deutschlands bezeichnet hat, erwarten wir seine Unterstützung und seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit, um die juristischen Bedenken, die sein Haus sieht, zu zerstreuen und den Weg für ein nationales Drittlandexportverbot endlich freizumachen – das ist längst überfällig!“, fordert auch die Sprecherin des Tierschutznetzwerks Kräfte bündeln, Dr. Claudia Preuß-Ueberschär.
In dem Offenen Brief werden u. a. folgende Argumente für das Recht und auch die Pflicht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für den Erlass eines sofortigen Verbots von Drittlandexporten lebender Tiere genannt:
- Zuständigkeit und gesetzliche Grundlage (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG): Laut dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg liegt die Verantwortung zur Regelung von Transportverboten bei drohender tierschutzwidriger Behandlung in Drittstaaten nicht bei den Veterinärbehörden der Länder, sondern beim BMEL. Das Tierschutzgesetz sieht die Möglichkeit vor, dass das Ministerium solche Transporte durch Rechtsverordnung unterbindet.
- Staatsziel Tierschutz (Art. 20a GG): Die Staatszielbestimmung zum Tierschutz in der deutschen Verfassung verlangt, dass bei Abwägungen die Schutzinteressen der Tiere höher gewichtet werden als allein wirtschaftliche Interessen der Export- und Zuchtindustrie.
- Entkräftung rechtlicher Bedenken: Mögliche Einwände, wie etwa die Bedenken zur Verhältnismäßigkeit, zur Vereinbarkeit mit EU-Vorschriften und WTO-Regeln, werden entkräftet. Zudem wird argumentiert, dass die gesetzliche Grundlage in § 12 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG klar genug definiert ist, um ein Transportverbot darauf zu stützen.
Die Verantwortung zum Handeln kann nicht allein auf die EU abgewälzt werden, was seitens des BMEL regelmäßig versucht wird. Damit im Rahmen der Revision der EU-Tierschutzgesetzgebung ein Verbot von Drittlandexporten lebender Tiere umgesetzt werden kann, braucht es starke und eindeutige Signale in Richtung Brüssel sowie Vorreiterländer, die zeigen, dass ein Drittlandexportverbot gewollt und möglich ist.
Die Pressemitteilung zur Übergabe des Offenen Briefs ist hier abrufbar.